Nachdem mein lieber Hektor vor kurzem seinen Traum vom Hochgebirge wahr machen konnte, drängelte nun auch mein Mika Amaro Inky Blue aka Amore Mikaela mit einem Besuch der Berge ihrerseits.
Nun haben wir momentan die irre Konstellation, dass die Form, welche mühsam über Frühjahr und Sommer aufgebaut wurde und im Herbst ihren Höhepunkt aber normalerweise auch gleichzeit ihren Niedergang durch kaltes, nebliges und allgemein ekelhaftes und somit fahrradunwürdiges Wetter erfahren muss, dass also diese Topform des Jahres nicht einfach wie sonst verpufft, sondern, begünstigt und hervorgerufen durch einen milde gestimmten Oktober, ihrem ehrwürdigen Finale zugeführt wird, nämlich, mit dem Bewältigen ernstzunehmender Topographien.
Da nun die Wettervorhersage doch tatsächlich nochmal ein sonniges und warmes Herbstwochenende orakelte, sollte nun auch mein Mika Amaro endlich in den Genuss der alpinen Berge gelangen. Das Inky Blue war für mich vor Jahren der Einstieg in die Welt des Riemens. Es war die Erleuchtung an Purismus und Reinheit, welche mich sofort bei der ersten Ausfahrt überkam. Allerdings hat es eine scharfe Rennradgeometrie, welche ich auch noch mit einem negativ gewinkelten Nitto-Vorbau anfeuerte und für mich eher bei schnellen Abendrunden oder sonstigen Aggrotouren Anwendung fand. Eine längere Tour, auch noch in den Bergen, war nicht unbedingt im Portfolio.
Also nun doch. Denn dieses Gerät macht einfach Spaß mit seinem enormen Vortrieb. Und so sollte es zu einer Klassikerrunde nach Graubünden gehen, im Einzugsgebiet der Vorderrheinschlucht, von manchen auch etwas überehrgeizig Swiss Grand Canyon genannt. Doch bei der Ankunft am idyllischen Parkplatz direkt neben den Chemiewerken von Domat/Ems war erst mal Ernüchterung angesagt, denn die angesagte Sonne mit Wärme war nicht am Platz. Dagegen scharfer, bisiger Wind und unangenehme Kälte. Also wieder heimfahren vor Bock. Oder nicht? Wir müssen ja noch weiter nach oben in die Kälte. Nein, wir machen’s doch! Denn in den Bergen ändert sich das Wetter schnell, zeitlich wie auch räumlich. Im nächsten Tal kann es schon anders aussehen. Also ging’s los in Richtung Versam, die Schlucht bezwingen und hinauf auf die Sonnenterrasse. Dann hinunter nach Ilanz über echte Bündner Dörfer mit authentischen Charme. Alles gut zu machen, keine allzuheftigen Anstiege.
Ab Ilanz geht es dann auf die Sonnenseite des Vorderrheintals in Richtung Flims-Laax, dem berühmten Wintersportgebiet. Die “Passhöhe” ist zwischen den beiden Orten und unbeschildert. Aber der Aufstieg hat es in sich, sofern man nicht der viel befahrenen Hauptstrasse folgt, sondern sich über das kleine Örtchen Sagogn verführen lässt. Gemächlich geht es zuerst flach und idyllisch voran, bis am Ende des Ortes scharf links die Strasse nach Laax angezeigt wird. Und dann geht es ordentlich zur Sache, ohne Gnade für meinen einzigen Gang. Aber meine Amore Mikaela ließ sich nicht klein kriegen und kämpfte sich nach oben. Feine Dame!
Der Rest bis Laax und dann noch der Übergang nach Flims war nicht mehr schlimm und so sind wir alle in Flims zur Belohnung ins Café Cappuccino für einen Cappuccino eingefahren und haben die Ersparnisse des Jahres für dieses köstliche Heißgetränk geopfert. Gutes hat halt seinen Preis sagt man. Das gilt anscheinend besonders hier oben in den Bergen Graubündens.
Der Rest war dann reine Formsache mit hinunterstürzen zwischen den Autos nach Trin und dann nach Tamins und zurück zum Ausgangspunkt. Doch überkam mich auf der schnellen Abfahrt die Erkenntnis, dass eine lange Rennradgeometrie doch gewisse Vorteile in der Stabilität gegenüber einer kurzen knackigen Bahnradgeo hat. Das Mika Amaro rollte wie eine Eins, kein Zucken, keine Nervösität, da muss man sich mit dem Hektor schon noch mehr konzentrieren. Was so ein paar Grad Lenkwinkel und ein paar Millimeter Kettenstrebenlänge ausmachen!
Am Ende der Runde waren nun doch alle zufrieden und glücklich, trotz des wetterbedingt etwas rauhen Starts und zähen Beginns. Und Amore Mikaela war ganz besonders stolz, als geborenes Urbanbike auch im diametral entgegengensetzen Einsatzgebiet der Berge so perfekt überzeugen zu können. Zum Dank für diese tolle Begleitung bekommt sie deshalb einen neuen Sattel spendiert!
Was die Preise für Heißgetränke und andere Köstlichkeiten in der Schweiz betrifft, kamen meine Gemahlin und ich, diese Jahr auch wieder nicht aus dem Staunen heraus.
Wie bei den Bergen, scheint es nach oben hin kaum Grenzen zu geben.
Das Highlight war allerdings eine Seilbahnfahrt (wohlgemerkt nur Talfahrt) welche wir uns geleistet haben. Der aufgerufene Preis sprengte sogar das Limit meiner Kreditkarte. Zum Glück gewährte uns unsere Hausbank, telefonisch um Hilfe gerufen, kurzfristig einen Überbrückungskredit. Diesen gilt es jetzt in der kalten Jahreszeit abzustottern, um – wenn alles gut läuft – im nächsten Spätsommer wieder eine Gondelbeförderung in Betracht ziehen zu können 😉
Tja mein lieber Klausi, hier gilt es Prioritäten zu setzen und einen Jahresfinanzplan zu erstellen. Was sind schon 2 Wochen Wellnessurlaub gegen eine grandiose Talfahrt oder gar ein Heißgetränk in vorzüglicher schweizer Qualität?
Ich muss zugeben, wenn ich meinen Herrn cook mit dem Amore Mikaela begleite, heißt es für mich, es wird anstrengend werden. Es ist wirklich ein anderes Fahren. Wir sind einfach eine Spur zügiger unterwegs und ich brauche da ganz klar eine Cappuccino-oder Espresso Pause, mir wurscht egal, wie teuer und wo der eingenommen wird, aber freuen tu ich mich drüber, wenn er in einer tollen Gegend eingenommen wird und dann auch noch sehr lecker schmeckt.
Absolut liebe Yvo, da stimme ich Dir gerne zu!
Ob Seilbahnfahrt oder Cappuciono, auch ich halte mich da im Zweifel an Oscar Wilde:
“Ich brauche den Luxus. Auf das Notwendige kann ich gern verzichten.” 🙂
So ist es !!! Und wenn man sich an so kleinen Dingen auch noch so erfreut und im Glück ist, ist es doch prima 🙂
Mann, Mann – eines Tages springen dir noch die Kniescheiben raus!
Du hast es ja vor einigen Jahren immer vehement abgestritten – aber die Anzeichen weisen ganz eindeutig auf eine ganglose Befahrung vom Stelvio (oder ähnlichen Kalibern) in 2020 hin. Oder eine Alpenüberquerung oder gar Ost-West-Durchfahrung? Die beiden Radverrückten vom Bodensee hat scheinbar das Alpenfieber gepackt. Wie schön 🙂
hmmm mein lieber racing_fool, natürlich wäre das schon eine reizvolle Vorstellung, besonders eine Überquerung, denn es gibt tatsächlich machbare Routen gen Süden. Es geht um die Einfachheit und da wäre der Stevio eher nicht die Option 😉 Da geht es mir ähnlich wie Hannibal, wie komm ich als Elefant da drüber! Träumen darf man ja schon mal und es kommt ja noch ein langer Winter zum nachdenken…
Ich würde gerade sooo gerne meine Form konservieren. Ach wäre das schön, wenn es im Frühjahr gleich so gut weiter gehen würde….ja mal wieder heißt es, ein Hoch auf die Phantasie. Egal, wie lange es gehen wird, bis wir wieder unsere Ausfahrten in die Berge machen können, ich freue mich jetzt schon drauf. .. Und ich freue mich, dass ich immer mutiger werde und fleißig mitplane, auch Sachen, die ich mir bis vor kurzem nicht wirklich zugetraut habe.